Diskussion: Können die aktuellen Herausforderungen der Sozialen Arbeit durch ihre Profession gelöst werden?

Stellt die Profession der Sozialen Arbeit eine Möglichkeit dar, ihren aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu Begegnen? Welche Möglichkeiten hat die Soziale Arbeit, um dies zu tuen?Aufgrund der demografischen Entwicklungen der deutschen Gesellschaft ergeben sich für die Soziale Arbeit insbesondere 4 verschiedene Herausforderungen, welche es in Zukunft zu bewältigen gilt. Durch die demografische Entwicklung wird es zu einem immer weiter zunehmenden Fachkräftemangel bzw. Arbeitnehmermangel kommen, welche jedoch dringend benötigt werden, um den gesellschaftlichen Wohlstand im jetzigen Maße weiter zu sichern.

Die erste Herausforderung bzw. Gefahr besteht darin, dass die Soziale Arbeit komplett zu einem Instrument der Arbeitsmarktpolitk „verkommt“ und keine eigentlichen „sozialen“ Leistungen mehr ausübt. Sie soll lediglich nur noch dem Ziel dienen, so viele Menschen wie möglich wieder arbeitsfähig zu machen („Employability„) und diese ursprünglich vom Arbeitsmarkt exkludierten Personengruppen wieder zu inkludieren (vgl. systemtheoretische Orientierung ).

Dies zeigt sich ebenfalls anhand der aktuellen pronatalistischen Sozialpolitik, beispielsweise an der Erhöhung des Elterngeldes, dem Ausbau an öffentlichen Betreuungsmöglichkeiten für Kinder sowie dem Umbenennen des Familienlastenausgleichs zum Familienleistungsausgleich.

Ökonomisch begründet wird diese Poltik mit der Humankapitalschwäche, der Demografierendite und dem „Return of Investment“.

Dieser „Trend“ zeigt sich insbesondere in der Kinder- und Jugendhilfe: Hier verliert die ursprüngliche Bedeutung der „Kindheitsphase“ immer mehr an Wert, sie fungiert immer mehr ausschließlich zu einer „Qualifizierungsphase“, die die Kinder und Jugendlichen arbeitsfähig machen soll.

Die eigentliche Phase der Kindheit geht somit verloren. Aus diesem Grund haben auch Konzepte wie das „Lebenslange Lernen“ gerade hochkonjunktur.

Die zweite Herausforderung stellt der Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit dar: Dadurch das es generell immer weniger qualifizierte Arbeitskräfte aufgrund der demografischen Entwicklung gibt, sinkt auch die Anzahl an Arbeitskräften innerhalb der Sozialen Arbeit.

Damit zusammen hängt auch die dritte Herausforderung – der steigende Finanzierungsdruck in der Sozialen Arbeit: Dadurch das es immer weniger Arbeitnehmer geben wird, sinken auch die überwiegend aus Steuern finanzierten finanziellen Mittel der Sozialen Arbeit (vgl. das Drei-Säulen-Modell der Sozialpolitik). Zusätzlich soll sich diese nun auch noch um die komplett neue und große Aufgabe der Arbeitsmarktinklusion kümmern – wofür  viele neue Mitarbeiter benötigt werden würden, die  höhere Kosten verursachen würden.

Wir haben unter finanziellen Gesichtspunkten also einerseits eine Kürzung der finanziellen Mittel und andererseits das Hinzukommen von riesigen neuen Aufgabenbereichen, wodurch eine finanzielle Doppelbelastung entsteht.

Die vierte Herausforderung besteht darin, dass aufgrund des demografischen Wandels und dem dadurch bedingte Ansteigen des Durchschnittsalters der Bevölkerung in der Sozialen Arbeit immer mehr Leistungen auf ältere Menschen ausgerichtet werden müssten – wobei die Kinder-und Jugendhilfe immer mehr in den Hintergrund treten wird.

 Kann die Profession der Sozialen Arbeit eine Lösung sein?

Die ursprünglich aus Eigeninteresse angefachte Professionsdebatte der Sozialen Arbeit könnte in Teilen zur Bewältigung der Herausforderungen beitragen, wird sie allerdings auch ebenfalls  erschweren.

Wenn die Soziale Arbeit eine Profession werden würde, würden hierdurch wichtige Punkte, die zur Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen zwingend benötigt werden, erfüllt sein:

  • Sie hätte die alleinige Handlungskompetenz in ihrem Bereich und könnte Erziehungs-und Bildungskonzepte aktiv mitgestalten
  • Sie würde über eine starke Lobby bzw. einen starken Berufsverband verfügen, der sich wirksam in die öffentliche Inklusionsdebatte einmischen könnte
  • Sie wäre autonom in der Berufsausübung, würde sich selbst kontrollieren und über ein internalisiertes berufseigenes Wertesystem verfügen

Hierdurch könnte die Soziale Arbeit der Entwicklung zum Inklusions-Subsystem gegensteuern,  öffentlich für mehr finanzielle Mittel streiten und ebenfalls die Ausbildung von neuen, akademischen Fachkräften vorantreiben

Grundlegend könnte Sie selbst über ihr Leistungsangebot bestimmen und sich effektiv für neue Strategien zur Stärkung der Kinderrechte einsetzen.

Jedoch würden mit der Profession der Sozialen Arbeit auch einige neue Konflikte entstehen, die es zu bewältigen gilt. So würden durch die akademisierten Ausbildungsgänge (Stichwort Erzieher/innen) wesentlich höhere Kosten entstehen, welche den Finanzierungsdruck weiter steigen lassen.

Eine weitere Hürde auf dem Weg zur Profession stellen die aktuellen Organisationsstrukturen der Sozialen Arbeit dar: Diese ist in verschiedene intermediäre Organisationen gegliedert, wobei jede davon über eigene Verhaltensregeln, Ideologien und Loyalitätserwartungen verfügt. Dies würde zwangsläufig zu einem Konflikt zwischen Ideologie und Fachwissen  bzw. zwischen Profession und Organisation führen und die Entwicklung der Sozialen Arbeit hin zu einer Profession stark erschweren.

Dieser Grundsatzkonflikt müsste auf dem Weg zur Profession der Sozialen Arbeit zunächst gelöst werden.

Fazit:

Die Profession der Sozialen Arbeit enthält wichtige Punkte zur Lösung der Herausforderungen, geht jedoch mit zwei größeren Problemen einher, dessen Lösung in der Realität äußerst schwer und langwierig sein wird, wenn diese überhaupt gelöst werden können. Weiter sollte man bei der Professionalisierung auch beachten, dass hierbei insbesondere auch die gesellschaftliche Anerkennung eine wichtige Rolle spielt.

Unabhängig von der Professionalisierung – die gesellschaftlich nur schwer durchsetzbar sein wird – muss die Soziale Arbeit jedoch  besonders eine wichtige Entwicklung vorantreiben, um den gesellschaftlichen Herausforderungen begegnen zu können:

Hier muss grundsätzlich eine viel größere und aktive Lobby sowie Interessenvertretung entstehen, die sich öffentlich einmischt, Druck ausübt und aktiv politische Konzepte mitgestaltet. Die Soziale Arbeit muss sich stärker organisieren und ihre Interessen verteidigen ,wenn sie nicht auf lange Sicht hin zu einem reinen arbeitsmarktpolitischen Werkzeug werden will.

Ob dies in Zukunft passieren wird, bleibt abzuwarten, insbesondere auch da aktuell lediglich ca. 20 % der Menschen, welche innerhalb der Sozialen Arbeit berufstätig sind, überhaupt in einem Berufsverband organisiert sind. Diese Entwicklung stellt jedoch die einzig realisierbare Möglichkeit dar, den gesellschaftlichen Herausforderungen effektiv zu begegnen.

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