Ein Märchen analysieren und interpretieren – Aufbau & Anleitung

Märchen erzählen von wundersamen Begebenheiten. Wie du diese Prosatexte analysieren und interpretieren kannst, erklärt dir dieser Artikel. Anhand ausgewählter Beispiele lernst du zuerst Merkmale von Märchentexten kennen, bevor du anschließend erfährst, worauf du bei der Analyse und Interpretation achten solltest.

Wenn du ein Märchen analysieren und interpretieren möchtest, solltest du dir zuerst die typischen Merkmale und Eigenschaften dieser Textart in Erinnerung rufen. Im folgenden Abschnitt sind diese für dich zum Nachlesen zusammengefasst.

Charakteristisch für Märchen ist, dass sie weder an Ort noch Zeit gebunden sind. Meistens gibt es feste Anfangs- und Schlussformeln („Es war einmal…“, „Und wenn sie nicht gestorben sind…“). Oft folgen sie einem festgelegten Erzählschema. Es gibt eine Krisensituation, es folgen Prüfungen, Mutproben und Bewährungen, bevor schließlich die Erlösung stattfindet.

Beispielsweise muss der Prinz bei „Dornröschen“ eine Dornenhecke durchdringen, bevor er die Prinzessin vom Fluch der bösen Fee befreien kann. Die auftretenden Märchenfiguren sind dabei oft typisiert und kontrastiert dargestellt – eine gute und eine böse Fee, ein tapferer Prinz, eine schöne Prinzessin. Es gibt bestimmte Situationen, die in verschiedenen Märchen in ähnlicher Form immer wieder dargestellt werden.

So sind z.B. die Rollen von Gut und Böse eindeutig verteilt. Am Ende siegt das Gute und das Böse wird bestraft. In Märchen können phantastische Dinge geschehen. So können beispielsweise bei „Frau Holle“ Gegenstände sprechen und bei den „Bremer Stadtmusikanten“ können sich die Tiere miteinander unterhalten.

Der Aufbau einer guten Märchen-Analyse

Vorbereitung

Selbst wenn du das Märchen bereits sehr gut kennst, musst du dich intensiv mit der Textvorlage auseinandersetzen. Hierzu gehört, dass du die wichtigsten Stellen markierst und den Text in einzelnen Sinnabschnitte gliederst. Notiere dir auch sprachliche Besonderheiten und Auffälligkeiten. Versuche, die oben genannten Merkmale von Märchen in deiner Textvorlage wiederzufinden.

Je gründlicher deine Vorarbeiten ausfallen, desto leichter wirst du es später haben, wenn du deinen Aufsatz schreibst.

Einleitung

Der Aufsatz beginnt mit einem Einleitungssatz. In diesem Satz vermittelst du dem Leser, worüber du in deinem Aufsatz schreiben wirst. Formuliere einen Satz, in welchem du den Titel des Märchens nennst. Wenn du weißt, wer der Autor des Märchens ist und zu welcher Zeit es verfasst wurde, kannst du auch das erwähnen. Beantworte in aller Kürze die Frage, wovon das Märchen handelt. Beschränke dich dabei auf die Hauptaussage und verzichte auf Details.

Inhaltsangabe

Der Hauptteil des Aufsatzes beginnt mit einer kurzen Wiedergabe des Inhalts. Nutze deine Notizen aus der Vorbereitungsphase, um die wichtigsten Punkte der Handlung in eigenen Worten darzustellen. Stelle dir vor, jemand würde das Märchen nicht kennen und du willst denjenigen informieren, wovon es handelt. Achte darauf, die Handlungsabläufe sachlich zu beschreiben. Schreibe keine Nacherzählung. Zusätzlich solltest du dem Leser überblicksartig die Hauptpersonen und ihre charakteristischen Eigenschaften vorstellen.

Analyse

Mit der Analyse wird die Intention des Autors herausgearbeitet. Hierbei kannst du dich zunächst wieder an deinen Notizen aus der Vorarbeitsphase orientieren. Beschreibe nun die Hauptpersonen und ihre Erscheinungsformen ausführlicher. Mache dir Gedanken darüber, warum die Figuren genau so in Erscheinung treten wie sie es tun. Welche Bedeutung hat das für die Handlung? Welche Worte wählt der Autor, um die Personen zu beschreiben? Gehe ebenso darauf ein, was die Personen denken oder fühlen. Welche Gefühle ruft das bei dir als Leser hervor? Kannst du dich in die Figuren hineinversetzen oder sind sie dir fremd? Betrachte, wie die Märchenfiguren miteinander in Kontakt treten. Wie unterhalten sie sich miteinander? Wo treffen sie aufeinander? Erkläre stets, wie du die jeweilige Szene verstehst.

Analysiere, wie sich die Handlung entwickelt und schildere die Entwicklung des Spannungsbogens. Frage dich, welche Szenen die Schlüsselszenen sind und welche Rolle die Figuren darin spielen. Konzentriere dich bei der Analyse aber nicht nur auf den Inhalt. Die sprachliche Gestaltung ist ebenso wichtig. Sprachliche Stilmittel werden häufig eingesetzt, um dem Leser eine eindrückliche Vorstellung der Handlung zu vermitteln. Die Erzählung wirkt dadurch interessanter und lebendiger. Besonders häufig finden sich in Märchen sinnbildliche Ausdrücke (Metaphern), die sich oft sogar wiederholen. Nenne diese und arbeite ihre Wirkung im Kontext der Handlung heraus.

Beispiel zur Analyse und Interpretation von Märchen

Beispiel: Die Hexe bei „Hänsel und Gretel“

Die Hexe tritt erstmals in der Szene in Erscheinung, als Hänsel und Gretel das Knusperhäuschen entdecken.

  • Die Hexe wird bei diesem ersten Kontakt als alte, freundliche, gebrechliche Frau beschrieben. Sie verhält sich auffallend freundlich und spricht mit sanfter Stimme zu den Kindern. Der Leser gewinnt durch diese Beschreibung denselben Eindruck wie die Kinder: Es scheint sich um eine nette Person zu handeln. Ihrer Einladung in das Knusperhäuschen möchte man gerne folgen!
  • Erst als sich die Kinder bereits in ihrer Nähe befinden und von ihr gefangen gehalten werden, zeigt sie ihr wahres Gesicht. Die alte Frau wird nun als böse Hexe beschrieben, die boshaft spricht und höhnisch lacht. Die Kinder erkennen, dass sie getäuscht wurden. Der Leser leidet mit den Kindern mit und entfremdet sich von der vormals so freundlich wirkenden Person, die in Wahrheit das Böse verkörpert.

Beispiel: ausgewählte Stilmittel bei „Rotkäppchen“

Rotkäppchen pflückt im Wald auf dem Weg zur Großmutter Blumen, um ihr eine Freude zu bereiten. In dieser Situation begegnet ihr der böse Wolf.

 

  • Zuerst fällt der ungewöhnliche Spitzname des Mädchens auf: Rotkäppchen. Ihr richtiger Name wird hingegen nie genannt. Das bewirkt, dass sich der Leser besser mit der Hauptfigur vergleichen kann und die Geschichte auf andere Personen übertragbar wird.
  • Die Blumen sind eine Metapher. Sie stehen sinnbildlich für die Freundlichkeit und Verletzlichkeit des Mädchens.

Interpretation des Märchens

Abschließend erörterst du, welche moralische Aussage der Autor mit dem Märchen mitteilen möchte. Hierzu beziehst du dich auf die Aspekte, die du bereits in der Inhaltsangabe und in der Analyse erwähnt hast. Erkläre schlüssig, warum bestimmte Handlungen oder Szenen wichtig sind und was der Schriftsteller vermutlich damit sagen möchte.

Darüber hinaus kannst du auch deine persönliche Meinung zum Ausdruck bringen. Was hat dir an dem Märchen gut gefallen? Gab es Dinge, die dir nicht gefallen haben? Zuletzt formulierst du einen Schlusssatz. Dieser kann sich auf deinen Einleitungssatz beziehen und ein abschließendes Fazit enthalten.

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