Die Gedichtanalyse schreiben: Aufbau und Beispiel erklärt

Hier findest du den Aufbau einer guten Gedichtanalyse für den Deutschunterricht in der Schule ausführlich Schritt-für-Schritt erklärt. Dieser wird anhand eines Beispiels verdeutlicht und es werden wichtige Tipps und Tricks erklärt, die du beim Schreiben deiner Gedichtanalyse aufjedenfall beachten solltest, da hier viele Schüler oft Fehler machen.

Auf dieser Seite findest du folgende wichtige Punkte zum Thema:

Inhaltsverzeichnis:

In diesem Zusammenhang ist es besonders wichtig, das du die Sprachlichen Mittel sowie deren Funktion erklären kannst, die Bedeutung dieser richtig interpretierst und sie in den Kontext zu der Epoche setzt, in der das Gedicht geschrieben wurde. Ebenfalls schadet es nicht, etwas über den Lebenslauf des Autors zu wissen.

Der Aufbau einer guten Gedichtanalyse in Deutsch:


Eine gute Gedichtanalyse gliedert sich in insgesamt 6 Teile:

Tipp: Wenn das Gedicht in der Ich-Form geschrieben ist aus der Sicht einer Person, ist dies das Lyrische Ich – nicht der Autor

  1. Einleitung
  2. Inhaltswiedergabe
  3. Strukturanalyse
  4. Sprachanalyse
  5. Interpretation
  6. Schluss

1. Die Einleitung der Gedichtanalyse:

  • Autor/Titel/Thema und Entstehungsdatum und -Ort nennen
  • Das Werk in die entsprechende Literaturepoche einordnen
  • Die Textart benennen, dabei stehen 6 Arten zur Auswahl:
  1. Ballade: Dialog bzw. wörtliche Rede, Verse Reimen sich, eine Handlung wird erzählt.
  2. Sonett: 14 Zeilen, dabei 2 Strophen mit 4 und 2 Strophen mit 3 Zeilen, Thesen und Antithesen werden „diskutiert“.
  3. Ode: Irgendetwas wird sehr stark gelobt, kein durchgehendes Reimschema.
  4. Elfchen: Insgesamt 5 Zeilen mit insgesamt 11 Wörtern, folgende Verteilung Wörter auf Zeilen: 1 – 2 – 3 – 4 – 1
  5. Haiku: Insgesamt drei Zeilen: 1 hat 5 Silben, 2 hat 7 Silben, 3 hat 5 Silben.
  6. Limerick: Fünf Zeilen, soll lustig sein, Reimschema ist B-B-C-C-B.
  •  Deinen ersten Eindruck nennen und eine erste grobe Interpretationshypothese in 2-3 Sätzen aufstellen („Um was könnte es in dem Werk gehen?“, deine Hypothese muss hier noch nicht stimmen)
  • Kurz in 1-2 Sätzen deine weitere Vorgehensweise erläutern

2. Die Inhaltswiedergabe des Gedichtes:

  • Das Gedicht in Sinnabschnitte einteilen und diese Einteilung begründen
  • Von jedem Sinnabschnitt den Inhalt im Präsens mit Zeilenangaben zu jeder Aussage wiedergeben
  • Hier erfolgt noch keine Beurteilung oder Interpretation, einfach nur die Inhalte gegliedert wiedergeben.

3. Die Strukturanalyse des Gedichts:

  • Den Aufbau des Werks in Strophen und Verse beschreiben
  • Die Kadenz bestimmen: Gibt es mehr männliche oder weibliche Kadenzen?:
  1. Männliche Kadenz: Letzte Silbe im Vers betont
  2. Weibliche Kadenz: Letzte Silbe im Vers unbetont
  • Das Metrum (Versmaß) bestimmen, dabei muss nicht immer ein klares Metrum vorliegen, hierbei gibt es 4 verschiedene:
  1. Jambus: + – + – + – … Betonte Silbe fängt an, immer abwechselnd
  2. Daktylus: + + – + + – ++ -… Zwei betonte, eine unbetonte Silbe
  3. Trochäus: – + – + – +…umgekehrter Jambus (Unbetonte beginnt)
  4. Anapäst: – + + – + +.. umgekehrter Anapäst
  • Das Reimschema bestimmen: Ist dieses überall gleich oder unterschiedlich? Ist ein klares Reimschema vorhanden oder nicht? Hierbei gibt es 7 gängige  Reimschemata (Die „Reimung“ am Ende der aufeinanderfolgenden Verse hintereinander):
  1. Paarreim: A-A-B-B
  2. Umarmender Reim: A-B-B-A
  3. Kreuzreim: A-B-A-B
  4. Haufenreim: A-A-A-A
  5. Schweifreim: A-A-B-C-C-B
  6. Kettenreim:A-B-A-B-C-B-C
  7. Verschränkter Reim: A-B-C-A-B-C

4. Die Sprachanalyse des Gedichts:

  • Den vorherrschenden Satzbau benennen (parataktisch oder hypotaktisch)
  • Die Zeitform bzw. Zeitformen nennen, die im Werk benutzt werden (Zukunft, Gegenwart,Präteritum)
  • Besondere Auffälligkeiten in der Sprache nennen und mit Zeilenangaben belegen, werden beispielsweise bestimmte Wortgruppen besonders häufig benutzt oder wird oft eine eher traurige oder fröhliche Stimmung durch bestimmte Wörter erzeugt?
  • Die Sprachlichen Mittel bzw. Stilmittel, die verwendet werden, benennen, mit Zeilenangaben belegen und deren Funktion/Wirkung auf den Leser beschreiben. Hier findest du die entsprechenden Listen dazu:
  1. Liste mit sprachlichen Mitteln/Stilmitteln
  2. Liste mit rhetorischen Mitteln

5. Die Interpretation des Gedichts:

Hier geht es darum, herauszufinden, was der Autor mit dem Gedicht sagen möchte und worum es eigentlich in dem Werk geht:

  • Rückbezug auf die in der Einleitung gestellte erste Interpretationshypothese: Stimmt diese? ggfs. eine neue These aufstellen
  • Diese zentrale Interpretationshypothese nun mit so vielen Stellen wie möglich aus dem Gedicht belegen, dabei richtiges Zitieren beachten:

Zur Interpretation von Gedichten findest du hier eine ausführliche Anleitung: Anleitung zur Gedichtinterpretation .

Eure stärksten Hilfen beim Herausfinden, worum es eigentlich wirklich geht, sind:

  1. Ungerechte Herrschaft bzw.  Ausbeutung der Bauern durch Adel/Ständesystem und Absolutismus 
  2. Fremdenfeindlichkeit/Rassismus
  3. Kriege: Insbesondere  1. Weltkrieg und 2. Weltkrieg sowie der dreißigjährige Krieg und ihre Folgen
  4. Die Schönheit der Natur
  5. Den Widerspruch Natur – Technik / Die Industrialisierung und deren Folgen für die Umwelt bspw. in Städten

6. Der Schlussteil der Gedichtanalyse:

  • Noch einmal in 1 Satz die zentrale Intention des Autors nennen
  • Ist es dem Autor gelungen, diese auszudrücken?
  • Den Schwierigkeitsgrad des Gedichtes bewerten
  • Deine persönliche Meinung zum Gedicht in 4-5 Sätzen, diese begründen

Gedichtanalyse-Beispiel: „Kirschblüten bei Nacht“


Im Folgenden findest du ein Beispiel für die Analyse eines Gedichts. Diese bezieht sich auf „Kirschblüten bei Nacht“ von  Barthold Heinrich Brockes, welches du hier findest. Bei dem Beispiel wurde insbesondere Wert auf den Interpretations-Teil gelegt, weil viele Schüler hierbei oft Probleme haben:

Einleitung:

Das vorliegende Werk zur Gedichtanalyse Beispiel ‘Kirschblüten bei Nacht’ entstammt der Sammlung von Barthold Heinrich Brockes, welche unter dem Titel ‘Irdisches Vergnügen in Gott, bestehend in physikalisch-moralischen Gedichten’ in neun Teilen zwischen 1721 und 1748 erschienen ist.

Dabei gab es alle drei Jahre eine Neuauflage, dessen Absicht es war, den Menschen durch Naturbetrachtungen zur Gotteserkenntnis zu führen. Dies stellt auch die zentrale Thematik des vorliegenden Textes dar, welches sich zeitlich jedoch nicht genau datieren lässt.

Der Inhalt verweist jedoch auf eine Entstehung in der Zeit der frühen Aufklärung. Im Folgenden soll über eine kurze Darstellung wesentlicher Aspekte der Aufklärungsepoche das vorliegende Werk in Form, Inhalt und Sprache auf seine epochenspezifischen Besonderheiten untersucht und interpretiert werden.

1. Überblick über den historischen, geistes- und literaturgeschichtlichen Kontext

1.1 Politische Ereignisse

Unter Aufklärung versteht man gemeinhin die Bezeichnung einer geisteswissenschaftlichen Epoche, die unter Maßgabe einer Herrschaft der Vernunft weitreichende philosophische , soziale und politische Veränderungen in Gang setzte. Diese vollzogen sich vor dem politischen Hintergrund des Absolutismus, der europaweit die tragende Herrschaftsform war so wie auch in der Zeit von unserem Gedichtanalyse Beispiel.

Durch den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1776) kam es zu einem Umbruch, der die europäischen Aufklärer ermutigte, offen Kritik gegen die herrschenden Monarchen zu äußern. Die Epoche endete in der Französischen Revolution (1789).

1.2 Grundgedanken dieser Zeit

Die oben beschriebenen Ereignisse wurden durch Denkbewegungen in Gang gesetzt. Maßgeblich hierfür war der französische Rationalismus und der englische Empirismus. Erkenntnisse, die über die Vernunft oder über Sinneserfahrungen gewonnen wurden, sollten durch die Demonstration dieser objektiven Wahrheiten zu einer Verbesserung des Menschen führen.

1.3 Literarische Besonderheiten

Diese Vernunftprinzipien wurden auf die Dichtung übertragen, die der Erziehung des Menschen dienen sollte. Aufgabe der Literatur war es zu nützen und zu ergötzen (Horaz: prodesse et delectare). Somit entwickelte sich eine didaktische Arten(z.B. Fabeln).

Die Kunst wird menschlicher und damit zugänglicher, was sich auch in der schlichten, gut verständlichen Sprache dieser Zeit widerspiegelt. Die strengen Poetikvorgaben des Barock werden gebrochen. Es sollte zweifellos ein ästhetischer Genuss vermittelt werden, der von der schönen Natur ausgeht, jedoch auch tiefere Einsichten vermittelt.

2. Analyse  im Hinblick auf seine Form seine Inhalt und seine Sprache aus epochenspezifischer Sicht

2.1 Die Form

In die Zeit  fällt die Entstehung des vorliegenden Schreibens. Die Form lehnt sich noch erkennbar an die barocktypische Form des Sonett an (4 Strophen; zwei längere und zwei kürzere Strophen) durchbricht jedoch deren strenge Vorgaben. So sind die 4 Strophen von unterschiedlicher Länge. Während die erste Strophe noch vierzehn Verszeilen umfasst, weist die dritte nur noch sieben Verszeilen auf.

Die Strophen 3 und 4 nur noch vier Verszeilen. Auffallend auch das uneinheitliche Druckbild. So gehen die Zeilen 4,9,12,20,23 und 29 erheblich über die Enden der anderen Strophen hinaus. In der Abkehr von den strengen Vorgaben des Barock erweist sich dieses Werk schon von seiner Form her als Zeugnis der frühen Aufklärung.

2.2 der Inhalt im Gedichtanalyse Beispiel

Schon die Überschrift deutet auf das zentrale Thema hin. Im Mittelpunkt steht die kontrastive Gegenüberstellung von weißen Kirschblüten und der schwarzen Nacht. So beginnt die erste Strophe mit einer Naturbetrachtung: ein blühender Kirschbaum bei Nacht im Mondenschein.

Das lyrische Ich trägt seine Begeisterung vor:Z.4 „Ich glaubt es könnt nichts von größerer Weiße sein. Darauf folgt eine Steigerung dieses Eindrucks durch weitere Naturvergleiche:Z.5 mit dem Schnee oder in Z. 9 mit einem Schwan.

In der zweiten Strophe richtet das lyrische Ich seinen Blick in den Himmel, um dort eine verblüffende Entdeckung zu machen: Hier begegnet ihm ein noch weißeres Weiß:Z.19/20 „Und ward noch einen weißern Schein, der tausendmal so weiß und tauendmal so klar.“ Die darin enthaltene Hyperbel betont die Außergewöhnlichkeit dieser Impression, die in der dritten Strophe ihre Fortsetzung findet:

Z.22ff. „Der Blüte Schnee schien schwarz zu sein bei diesem weißen Glanz…“Ein heller Stern strahlt in Gesicht und Seele und führt das lyrische Ich zu der zentralen Erkenntnis, die in der vierten Strophe beschrieben wird: Wie sehr ich mich auch an Gottes Schöpfung auf Erden erfreue, die himmlische ist umso großartiger.

Hier geht die Naturlyrik von einer genauen Betrachtung aus. Sie ist geradezu naturwissenschaftlich reflektiert. Hier lassen sich deutliche Bezüge zu der grundlegenden Denkbewegung der Zeit, dem Empirismuns, herstellen.

Dabei wird ein sinnesphysiologisches Phänomen aufgegriffen: Ein Gegenstand erscheint umso heller, je dunkler seine Umgebung ist. Die Kirschblüten im Mondlicht werden zunächst als der Inbegriff des Weißen wahrgenommen, dieser Eindruck verkehrt sich jedoch beim Anblick des hellen Sterns. Dieses Phänomen wird nun auf den Unterschied zwischen irdischer und himmlischer Schönheit übertragen.

Aus der Beobachtung ergibt sich die Gotteserkenntnis des lyrischen Ichs und spiegelt die natürliche Ordnung und die Zweckmäßigkeit alles Seins wider.Brocke führt uns diesen Prozess im didaktischen Sinne vor. Die reflektierte Betrachtung dieses Naturphänomens soll uns als Beispiel dienen, um Gottes Werk und Ordnung zu würdigen, was ganz in der Intention seiner Zeit steht.

2.3 sprachlichen Gestaltungsmittel

Der Inhalt wird phonetisch in fließende jambische Verse (zwischen Dreihebern und Sechshebern) gebunden. Dies zeigt eine Abkehr von den vorbestimmten Versmaßen des Barock.

Auch die Reimarten wechseln. Uns begegnen Paarreime z.B. (Z. 1-4), Kreuzreime z. B. (Z.5-8) und umschließende  z.B. (Z. 9-12). Zeile 19 und 25 bleiben gar ohne einen solchen. Zahlreiche Enjambements schaffen Sinneinheiten die den Leser die reflexive Naturbetrachtung nach vollziehen lassen.

Die sprachliche Gestaltung insgesamt ergibt einen ruhigen fließenden Rhythmus, die gut zu der sachlich beschreibenden, aber auch preisenden und belehrendenHaltung des lyrischen Ichs passt. Auch auf der sprachlichen Ebene zeigt dieses Schreiben somit deutliche Bezüge zu den Besonderheiten der Epoche.

3. Schlussbetrachtung

Auf den heutigen Leser mag diese Art der Reflexion, trotz der gut verständlichen Sprache, befremdlich wirken. Dennoch bietet dieses Naturgedicht auch heute noch die Anregung, seine Wahrnehmung für Naturphänomene zu schärfen und darüber nachzudenken, was unsere Welt in ihrem Innersten zusammenhält.

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